Wenn das Kiezbett mit dem Lastenfahrrad kommt

Wie der Name es bereits verrät, kommt das Kiezbett nicht von weit her. Der gesamte Produktionsprozess des Kiefernholzbettes findet in Brandenburg und Berlin statt. Die Idee für das kleine Start-Up kam Steve als er im Baumarkt vergeblich nach Holz aus der Region suchte. Seitdem hat er sich ganz dem Social Impact-Prinzip verschrieben und zeigt, wie nicht nur eine nachhaltige Forstwirtschaft, sondern auch eine Förderwerkstatt die Geschichte eines Möbelstücks prägen können.

Im Traum Bäume nachpflanzen

Die aufgeregten Kinderstimmen müssen Steve noch in den Ohren klingen als wir uns an einem Freitagmorgen in der Stephanus-Förderwerkstatt in Spandau treffen. Steve hatte am Vortag mit einer Schulklasse im Grunewald 1.000 junge Eichen gepflanzt. Für jedes produzierte Kiezbett setzen Steve und sein Team vier Bäume in die Erde der Wälder von Berlin und Umland. Zehn müssen es sein, wenn das Bett einen weiteren Weg antritt.

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Klingt eindeutig nach einem Ökoprojekt – aber der Nachhaltigkeitsansatz beim Kiezbett greift um einiges weiter. Das Projekt hat sich dem ‚Social Impact‘-Prinzip verschrieben. Das heißt, die Produktion des Bettes hat nicht nur den Anspruch ökologisch verträglich, sondern auch in sozialen Fragen nachhaltig zu sein. So wie es die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie, Soziales – auch vorschreiben. Nur scheitert es sonst allzu oft an der konsequenten Umsetzung.

Deshalb steht Steve mit seinem Gründerteam aus vier Leuten bisher auch relativ alleine da und darauf ist er stolz: „So weit wie wir, hat noch keiner gedacht.“ Startpunkt der vier- bis sechswöchigen Reise des Kiezbettes sind die Wälder Brandenburgs, in denen die Kieferbäume gefällt und zum Teil von Pferden ‚gerückt‘, sprich herausgezogen, werden. Sie wandern anschließend in ein umliegendes Sägewerk, in dem sie verarbeitet werden. Die Details der Stoffkette können hier nachgelesen werden.

Ein Kiezbett pro Tag

In der Inklusionswerkstatt in Spandau bauen die Mitarbeiter*innen das Bett einmal auf, um die bei jedem Bett leicht anders ausfallenden Vorbohrungen zu setzen. Bei meinem Besuch arbeiten die drei Männer bedächtig und konzentriert an dem Aufbau des Bettes, hin und wieder unterbrochen von einem Lacher von einem von ihnen. Seit August 2016 verarbeiten sie und ihre Kolleg*innen ungefähr ein Kiezbett pro Arbeitstag.

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Auf Berliner Werbeplakaten kommt das Kiezbett mit einem Einhorn als Schlafbewohner ziemlich hipp daher. „Unsere Kommunikation wird zu 99 Prozent von unserer Kundschaft gespiegelt“, sagt Steve. Seine Zielgruppe sind Menschen von Mitte 20 bis Mitte 50, die sich nicht nur ein qualitativ hochwertiges Bett kaufen wollen, sondern denen vor allem der schonende Produktionsprozess des Start-Ups wichtig ist – auch weil sie „keinen Bock mehr auf Ikea haben“. Dafür müssen sie auch den vierfachen Preis eines Ikea-Bettes für ein Kiezbett bezahlen. Zieht man jedoch in Betracht, dass das Bett dafür ein Leben lang hält, hochwertig verarbeitet ist und Mensch und Natur achtet, ist der Preis mehr als gerechtfertigt.

Hauruck und fertig war der Prototyp

Als Steve von dem Beginn des Projektes erzählt, wirkt er selbstsicher und gleichzeitig begeistert, aber auch immer noch etwas ungläubig, wie sich sein Projekt so entwickelt hat. „Eigentlich war alles eine totale Hauruckaktion. Ich wollte mir selber ein Bett bauen, ging in den Baumarkt und stellte fest, dass weder Herkunft noch Produktionsbedingungen des Holzes erkennbar sind. Das meiste Holz kommt aus Weißrussland, wie ich dann feststellen musste. Warum nutzen wir nicht die lokalen Ressourcen hier vor Ort? Aus dieser Erfahrung ist dann die Idee für das Kiezbett geboren.“ Als er den ersten Prototyp des Bettes selber gebaut und angefangen hat, es mit einer Crowdfunding-Kampagne zu bewerben, waren die positiven Rückmeldungen aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis sehr bestärkend.

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Das Einzige, was ihm noch etwas Bauchschmerzen bereitet ist der Transport des fertigen Kiezbettes zu seinem/seiner zukünftigen Besitzer*in. Gut geschützt durch eine wiederverwendbare Verpackung wird das Kiezbett mit einem Elektroauto nach Kreuzberg gefahren und von dort aus mit dem Lastenrad chauffiert. Der/die Kund*in können die Verpackung dann direkt dem Lastenfahrradfahrer mitgeben oder gegen ein Pfand später zurückschicken. „Das klappt so in Berlin wunderbar, aber inzwischen ist das Kiezbett auch in Süddeutschland und in der Schweiz gefragt. Das stellt uns vor das Problem, wie wir das Bett weite Strecken emissionsfrei transportieren können“, sagt Steve.

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Er gab sich und seinen Kunden das Versprechen, so bald wie möglich, eine Dependance mit lokaler Wertschöpfungskette in Süddeutschland aufzumachen. Und so stehen Steve und sein Team bereits vor dem nächsten Projekt, um noch mehr Menschen mit einem rundum nachhaltigen Bett versorgen zu können.

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