Antike Möbel unter gestreiften Markisen

Youssefs Antiquitätengeschäft hat viel zu bieten. Über drei Wohnungen reihen sich alte Schränke, Kommoden und Küchenbuffets aneinander. Kein Möbelstück gleicht dem anderen, jedes erzählt eine andere Geschichte. Das ist der Grund, warum Youssefs Kunden immer wieder in seinen Laden kommen: Die meisten von ihnen sind nicht auf der Suche nach einem beliebigen Möbelstück, das allein einen Zweck erfüllen soll. Vielmehr wollen Youssefs Kunden ein besonderes Möbel, das zu ihnen passt.

Im Labyrinth antiker Möbel – Youssef liebt jeden Kratzer seiner Möbel

Die blau-weiß gestreifte Markise des Geschäfts sieht man schon von Weitem, darunter stehen halb gestapelt, halb frei, Stühle, Tische, Kommoden. Der Antiquitätenhändler Youssef C. sitzt an einem der Tische mit vier Freunden. Sie trinken Kaffee, rauchen und lachen. Die Tür steht einladend offen. Was sich dahinter alles verbirgt, wird als Besucher nicht gleich beim ersten Betreten des  Ladens ersichtlich.

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Foto: florianreimann.com

Ein Raum geht in den nächsten über. Aus einer Wohnung werden zwei. Dann zeigt Youssef auf die gegenüberliegende Straßenseite: „Wart ihr schon in der Wohnung drüben? Da sind nochmal 150 Quadratmeter.“ Insgesamt zählt Youssefs Antiquitätengeschäft 300 Quadratmeter. Nach der Gründung 2006 hat er ein Jahr später die zusätzliche Wohnung angemietet. Wohlgeordnet stehen Schränke neben Kommoden neben Küchenbuffets. Ausreichend Raum, damit sich die nach Holz schmeckende Luft ausbreiten kann. Die Möbel sind aus hellem Holz, die meisten stammen aus der Jugendstil- oder Biedermeier-Zeit. Youssef erklärt: „Meine Kunden wollen schlichte Möbel ohne viele Verzierungen. Kein Möbelstück sollte den Raum erschlagen“. Er geht dabei durch die vielen Räume, seine Finger streichen über das geschliffene Holz.

Ein Antiquitätenmarkt voller Möglichkeiten

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Foto: florianreimann.com

Im Keller schiebt er einige Stühle hin und her, bis er sich breit lächelnd mit einem Stuhl über die schmale Treppe ans Tageslicht kämpft. Der Stuhl aus stabilem Buchenholz passt in Youssefs sonstiges Sortiment: hell, klar, ein paar feine Verzierungen. Die Lehne ist leicht geschwungen, die Beine sind gedrechselt und die Sitzfläche besteht aus mehreren Leisten, deren Kanten entlang der Maserung des Holzes verlaufen. Der Stuhl ist dreimal so alt wie Youssef, er stammt aus der Biedermeierzeit der 1860er Jahre. Jemand hat angefangen ihn abzuschleifen, aber sein Werk nicht zu Ende gebracht. Doch das stört Youssef nicht. Für ihn kann er genau so bleiben und verkauft werden.

Seine Möbel findet Youssef in Leipzig auf einem riesigen Antiquitätenmarkt, zu dem er einmal im Monat fährt. Eine Suche im Labyrinth von tausenden von alten Möbeln nach den ganz besonderen Stücken. Die Händler kennen inzwischen Youssefs Vorstellungen. „Ich mag Möbel mit Charakter, wenn die alte Farbe noch erhalten ist oder alte rostige Nägel ihre Spuren hinterlassen haben. Manchmal komme ich mir wie ein Kunsthändler vor“, sagt Youssef. Das Möbelstück soll etwas erlebt haben und nicht glänzend von der Stange kommen. Oft schaue er ein Möbelstück an und spüre noch etwas von seiner Vergangenheit – manchmal malt er sich dazu eine Geschichte aus.

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Foto: florianreimann.com

Gute Möbel kann man leimen

Die schönsten Begegnungen sind für Youssef, wenn einige seiner Kunden nach Jahren wieder ins Geschäft kommen, um sich bei ihm für das besondere Möbelstück zu bedanken, das sie bei ihm gekauft haben. Solche Momente geben ihm die Kraft, das Geschäft am Laufen zu halten. Sechs Tage die Woche von zehn bis sieben Uhr am Abend, alle vier Wochen auch sonntags. “Man zahlt dafür private Kosten”, gibt Youssef zu. Als er noch auf dem Bau gearbeitet hat, konnte er zweimal im Jahr in den Urlaub fahren. Seit den elf Jahren Selbstständigkeit findet er kaum Zeit, um seine Eltern im Libanon zu besuchen. Ein Schatten von Traurigkeit huscht über sein Gesicht. Dennoch erinnert er sich gut, wie entschlossen er damals war, ein Antiquitätengeschäft aufzumachen. Er wollte etwas eigenes auf die Beine stellen.

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Foto: florianreimann.com

Gerade von seinen Eltern hat er die Begeisterung für den Umgang mit Möbeln mitbekommen. Zuhause hätten im Wohnzimmer einfache 70er-Jahre-Möbel gestanden, die er bei jeder Kleinigkeit sofort mit seinem Vater repariert habe. Diese Arbeiten mache er bis heute sehr gerne. Wenn man ein abgebrochenes Stuhlbein wieder leimen kann, ist das für ihn ein langlebiges Möbelstück. “Ikea-Möbel schaffen das nicht”, sagt Youssef kopfschüttelnd.

Alleine ist er selten – oft kommen Freunde auf einen Tee oder einen Kaffee in seinem Laden vorbei, wie heute Morgen. „Manchmal kann mir das auch zu viel werden“, sagt Youssef lachend. Aber so wie sie ihn manchmal ablenken bei der Arbeit, helfen sie ihm auch. Gerade heben zwei befreundete Männer fünf Tische in einen Lieferwagen, der diese nach Neuruppin bringen soll. Es wartet noch ein voller Tag auf Youssef. Er lächelt und steckt sich noch eine Zigarette an.

Youssef und seine Antiquitäten findet ihr hier:

Urbanstraße 132, 10967 Berlin

und hier: http://wohnkultur61.de/

3 Gedanken zu “Antike Möbel unter gestreiften Markisen

    1. Hallo Felix,

      danke für deine Nachricht. Youssef und seine Antiquitätensammlung findest du in der Urbanstraße 132 in Kreuzberg.

      Danke auch für deine Anregung, die Adressen in die Beiträge einzubauen. Wir sind bereits dabei zu klären, ob und wie wir das machen können.

      Timo für die Woodcycles

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